Das Phänomen der Aktivierung bei Tinnitus – wenn Hörzellen durch die Lasertherapie in Bewegung kommen
- Boris Seedorf

- 25. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Einleitung
Bei der Lasertherapie für Tinnitus kann es vorkommen, dass sich das Ohrgeräusch nach einer Behandlung zunächst verändert oder unruhiger wird. Manche empfinden den Tinnitus kurzfristig sogar als lauter. Für viele wirkt das im ersten Moment irritierend – doch genau darin steckt ein entscheidender Hinweis: Die Hörzellen beginnen, wieder Energie aufzubauen.
Was im Ohr passiert
Unsere Hörzellen sind hochsensible Strukturen, die in enger Abstimmung mit Nervenzellen, Blutversorgung und Stoffwechsel arbeiten. Damit sie zuverlässig Schallreize aufnehmen und weiterleiten können, brauchen sie eine stabile Energieversorgung. Diese Energie wird in den Mitochondrien erzeugt – winzigen Organellen in jeder Zelle, oft als „Kraftwerke“ bezeichnet.
Bei Tinnitus und Hörstörungen ist diese Energieproduktion häufig beeinträchtigt. Die Zellen versuchen dann zwar, ihre Funktion aufrechtzuerhalten, arbeiten aber auf Sparflamme. Es kommt zu Instabilitäten im Hörprozess – vergleichbar mit einem schwankenden Stromnetz, das mal zu viel, mal zu wenig Spannung liefert.
Die Lasertherapie bringt gezielt Lichtenergie in das Innenohr. Bestimmte Wellenlängen werden von den Mitochondrien aufgenommen und lösen dort biochemische Reaktionen aus: Elektronenketten in den Enzymkomplexen werden angeregt, Sauerstoff wird effizienter genutzt, ATP – die universelle "Energiewährung" der Zelle – wird in größerer Menge produziert. Mit diesem Energieschub können die Hörzellen beginnen, ihre Prozesse wieder zu stabilisieren.

Warum es manchmal lauter wird
Wenn Zellen, die über längere Zeit im Energiemangel gearbeitet haben, plötzlich mehr „Treibstoff“ bekommen, laufen sie zunächst nicht sofort geordnet. Es entstehen Übergangsphasen: Signale werden unruhig, Nervenleitungen reagieren empfindlicher, und das Ohrgeräusch wirkt intensiver oder verändert sich.
Ein passender Vergleich ist der Muskelkater: Wer nach längerer Pause wieder Sport treibt, erlebt zunächst kleine Schmerzen, weil Muskeln und Stoffwechsel gefordert werden. Trotzdem weiß jeder: Muskelkater ist ein Zeichen von Aktivierung, nicht von Schaden.
Im Innenohr ist es ähnlich: Die kurzzeitige Verschlechterung ist in Wahrheit ein Hinweis darauf, dass die Zellen wieder in Bewegung kommen. Diese Phase dauert meist nur wenige Stunden bis maximal drei Tage. Danach haben die Zellen ein neues Gleichgewicht gefunden, auf höherem Energieniveau.
Wenn sich die Tonhöhe verändert
Ein besonders aussagekräftiges Zeichen für Aktivierung ist die Veränderung der Tonhöhe des Tinnitus. Manche Patienten berichten, dass das Ohrgeräusch nach einer Behandlung plötzlich heller, schriller oder umgekehrt tiefer klingt.
Das zeigt, dass das neuronale Netzwerk im Hörsystem aktiv auf die neue Situation reagiert. Denn der Tinnitus ist nicht nur ein lokales Ohrgeräusch, sondern das Resultat aus dem Zusammenspiel von Hörzellen, Hörnerv und zentralen Verarbeitungszentren im Gehirn. Eine Verschiebung in der Tonhöhe bedeutet: Das System ist in Bewegung, es reguliert sich neu. Gerade diese Dynamik gilt als ermutigendes Zeichen, dass eine Umstellung im Gang ist.
Was die Aktivierung im größeren Zusammenhang bedeutet
Die Aktivierung ist ein typisches Phänomen bei vielen Regenerationsprozessen. Biologisch betrachtet ist es ein Übergang von einer alten, instabilen Situation zu einer neuen Stabilität.
Zellulär: Die Mitochondrien erhöhen ihre Leistung, reaktive Sauerstoffspezies werden kurzfristig vermehrt gebildet, Schutzmechanismen der Zelle greifen – ein klassisches Anpassen an ein neues Energieniveau.
Neuronal: Die Signalweiterleitung im Hörnerv kann kurzfristig sensibler sein, was das veränderte Klangempfinden erklärt.
Systemisch: Das Gehirn muss widersprüchliche Signale (Sehen, Hören, Gleichgewicht) verarbeiten. Kurzzeitig ist das anstrengend, mittelfristig führt es zu einer stabileren Hörverarbeitung.
Dieses Muster ist in der Medizin nicht einzigartig: Auch bei Immunreaktionen, bei Muskelanpassungen oder beim Nervensystem nach therapeutischen Reizen gilt: Erst gibt es Unruhe, dann Stabilisierung.
Wie Patienten mit der Aktivierungsphase umgehen können
Eine Aktivierung kann sich ungewohnt anfühlen. Doch wer weiß, dass es ein Zeichen für Regeneration ist, bleibt entspannter. Hilfreich sind:
Ruhe bewahren: Das Ohr nicht ständig kontrollieren oder vergleichen. Veränderungen dürfen kommen und gehen.
Gelassen beobachten: Sich innerlich sagen: „Das ist Teil des Prozesses.“
Auf Ablenkung setzen: Spaziergänge, Lesen, Musik mit angenehmer Lautstärke – alles, was das Nervensystem beruhigt, unterstützt die Stabilisierung.
Keine Überinterpretation: Nicht jede kleine Schwankung bedeutet etwas. Wichtiger ist der Gesamteindruck über Tage und Wochen.
So wird aus einer anfänglichen Verunsicherung eine Erfahrung von: „Mein Körper reagiert, es bewegt sich etwas.“
Typische Fragen von Patienten
Kommt die Aktivierung bei jedem vor? Nein. Manche erleben sie deutlich, andere gar nicht. Beide Verläufe sind normal.
Wie lange dauert die Aktivierung? Meist wenige Stunden bis maximal drei Tage. Danach stabilisieren sich die Hörzellen auf einem neuen Energieniveau.
Ist eine Aktivierung notwendig, damit die Therapie wirkt? Nein. Sie ist ein mögliches Signal, aber kein Muss. Auch ohne spürbare Aktivierung können positive Effekte eintreten.
Kann die Aktivierung schädlich sein? Nach allem, was wir aus jahrelangen Beobachtungen und Therapieverläufen kennen: nein! Es handelt sich nicht um eine Verschlechterung, sondern um ein vorübergehendes Anpassen des Systems.
Was das für Sie bedeutet
Die Aktivierung nach einer Lasertherapie ist ein natürlicher Teil des Heilungsprozesses. Auch wenn es sich im ersten Moment ungewohnt oder störend anfühlt, zeigt sie: Ihre Hörzellen sind in Bewegung, sie gewinnen Energie zurück und suchen nach einem neuen Gleichgewicht.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie die Lasertherapie bei Tinnitus wirkt und wie wir in meiner Praxis mit Aktivierungsphasen umgehen, vereinbaren Sie gerne einen Termin. Gemeinsam finden wir heraus, welche Schritte für Sie sinnvoll sind.
Herzliche Grüße
Boris Seedorf




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