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„Tinnitus raubt Ihnen den Schlaf? Wenn der Alarm im Kopf nicht ausgeht“

  • Autorenbild: Boris Seedorf
    Boris Seedorf
  • 24. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Teil 1 von 2: Verstehen, warum der Körper nachts nicht zur Ruhe kommt


Sie liegen im Bett. Die Welt ist still – aber in Ihrem Kopf tobt es weiter.

Ein Pfeifen. Ein Rauschen. Ein Sirren, ein Dröhnen, ein Zischen. Und je stiller es draußen wird, desto lauter scheint es in Ihnen zu werden. Der Körper liegt im Dunkeln, aber der Kopf ist hellwach.

Sie wollen einfach nur schlafen. Und genau das wird zum Problem. Denn je mehr Sie versuchen, zur Ruhe zu kommen, desto mehr verkrampft sich alles in Ihnen.

Wenn Sie das kennen, sind Sie damit nicht allein.


Tinnitus und Schlaf – eine unsichtbare Dauerspannung

Viele meiner Patientinnen und Patienten berichten, dass sie tagsüber einigermaßen mit dem Tinnitus umgehen können – aber nachts kippt etwas.

Wenn alles ruhig wird, werden sie mit dem Geräusch allein gelassen. Es fühlt sich an wie ein ungebetener Gast, der genau dann auftaucht, wenn man sich zurückziehen will. Ein Störenfried, der nicht gehen will.

Doch was genau läuft da eigentlich ab in Ihrem Körper – und in Ihrem Nervensystem?

Tinnitus und Schlaf - manchmal wirklich schwierig!
Tinnitus und Schlaf - manchmal wirklich schwierig!

Schlaf ist ein Schutzmodus – Tinnitus ein Alarmzustand

Der Schlaf ist ein biologisches Meisterwerk. Er reguliert Hormone, heilt Gewebe, entlastet das Gehirn. Aber: Er funktioniert nur, wenn der Körper sich sicher fühlt. Er muss loslassen dürfen. Ruhig werden. Abgeben.

Der Tinnitus aber wirkt wie ein Warnsignal – etwas, das Ihre innere Alarmanlage auf Stand-by hält. Ob das Geräusch tatsächlich laut ist oder nicht, spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Es reicht, dass Ihr Gehirn das Signal als potenziell bedrohlich bewertet.


„Lokale Wachheit“ – wenn das Gehirn sich nicht ausschaltet

In der Forschung spricht man inzwischen von einem faszinierenden Phänomen:

„Lokale Wachheit im schlafenden Gehirn.“

Das bedeutet: Auch wenn Sie äußerlich schlafen, bleiben bestimmte Bereiche im Gehirn aktiv. Besonders die, die für Aufmerksamkeit, Kontrolle oder Gefahrenerkennung zuständig sind.

Diese Überaktivität kann verhindern, dass Sie in den Tiefschlaf kommen – oder sorgt dafür, dass Sie immer wieder aufwachen.

Das erklärt, warum viele Betroffene morgens erschöpft aufwachen, obwohl sie scheinbar 7 Stunden im Bett lagen.


Was der Tinnitus in Ihnen auslöst, ist oft das eigentliche Problem

In meiner Praxis frage ich oft: „Was genau stört Sie am Tinnitus – das Geräusch selbst oder das, was es in Ihnen auslöst?“

Die häufigsten Antworten:

  • „Ich kriege Panik, wenn ich ihn nachts höre.“

  • „Ich liege wach und denke: Morgen bin ich völlig fertig.“

  • „Ich fühle mich ausgeliefert – wie machtlos in meinem eigenen Körper.“

Diese Reaktionen sind nicht eingebildet. Sie sind biologisch nachvollziehbare Stressantworten, die den Tinnitus verstärken – und gleichzeitig den Schlaf blockieren.

Man nennt das auch den Tinnitus-Schlaf-Teufelskreis:

  • Tinnitus → Stress → schlechter Schlaf → erschöpftes Nervensystem → lauterer Tinnitus → noch mehr Stress.


Ein erster Ausweg: Den inneren Widerstand lösen

Vielleicht klingt es für Sie ungewohnt, aber: Nicht der Tinnitus ist das Problem – sondern der Kampf gegen ihn.

Denn je mehr Energie Sie aufbringen, um ihn wegzudrücken, desto präsenter wird er. Ein erster Schritt, den viele unterschätzen:

Lernen Sie, mit dem Geräusch einzuschlafen – statt gegen es.

Nicht aus Resignation. Sondern aus Entlastung. Denn wer nicht mehr kämpfen muss, kommt wieder zu Kräften.

Sie sind nicht kaputt – Ihr Körper versucht, Sie zu schützen

Wenn Sie nachts wachliegen, erschöpft sind und sich ausgeliefert fühlen – dann liegt das nicht an Ihrer Schwäche.

Ihr Körper versucht lediglich, sich zu orientieren. Er sucht Sicherheit. Er braucht Führung, keine Kontrolle.

Die gute Nachricht: Sie können diesem System neue Orientierung geben. Schritt für Schritt – mit dem, was wir heute über den Zusammenhang von Tinnitus, Schlaf und Nervensystem wissen.


Was im zweiten Teil auf Sie wartet:

Im nächsten Artikel zeige ich Ihnen:

  • Warum die klassische „Schlafhygiene“ oft zu kurz greift

  • Was moderne kognitive Schlaftherapie (CBTi) bei Tinnitus leisten kann – wissenschaftlich belegt

  • 5 konkrete Strategien, die Ihr System entlasten – ohne Medikamente

  • Wie Sie die Gedankenspiralen nachts unterbrechen – ohne Druck

Und: Welche Apps & Tools dabei helfen können – und welche Sie getrost vergessen dürfen.


Bis dahin: Bitte seien Sie freundlich mit sich. Ihr Körper ist nicht Ihr Feind. Er wartet auf ein neues Signal von Ihnen. 


Herzliche Grüße

Boris Seedorf

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