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Besser schlafen trotz Tinnitus Teil 2: 5 Strategien, die wirklich helfen

  • Autorenbild: Boris Seedorf
    Boris Seedorf
  • 8. Juli
  • 3 Min. Lesezeit


Teil 2 von 2: Raus aus dem Schlaf-Tinnitus-Teufelskreis

Im ersten Teil dieser Reihe ging es darum, warum Tinnitus besonders nachts als quälend empfunden wird. Die Stille, die Dunkelheit, die fehlenden Ablenkungen: All das führt dazu, dass das Geräusch stärker wahrgenommen wird. Vor allem aber versetzt es das Gehirn in eine Art Daueralarm. Der Körper bleibt in Anspannung, der Schlaf bleibt aus.

Viele Menschen glauben, dass sie erst dann wieder gut schlafen können, wenn der Tinnitus verschwindet. Doch der Weg ist meist ein anderer: Wer lernt, trotz Tinnitus zu schlafen, erlebt oft eine spürbare Entlastung – und oft auch eine Reduktion der Tinnitusbelastung selbst.

Dieser Artikel stellt Ihnen 5 bewährte Strategien vor, die sich in der Praxis bewährt haben.


Warum klassische Schlafhygiene oft nicht ausreicht

Vielleicht haben Sie schon einiges probiert:

  • abends früher offline gehen

  • kein Koffein mehr am Nachmittag

  • ein dunkles, ruhiges Schlafzimmer

  • beruhigende Musik oder Duftkissen

Das sind sinnvolle Rahmenbedingungen. Aber bei tinnitusbedingten Schlafproblemen greifen sie oft zu kurz.

Denn das Problem liegt nicht in erster Linie im Licht, in der Temperatur oder im Handygebrauch. Es liegt in der inneren Anspannung. In der Angst vor dem Wachliegen. In der gedanklichen Bewertung des Tinnitus.

Hier setzen die folgenden 5 Strategien an.

Eine glücklich wirkende schlafende Frau
Wieder besser schlafen bedeutet auch: bessere Regeneration der Ohren

1. Weniger Zeit im Bett – mehr Chance auf Schlaf

Was auf den ersten Blick paradox wirkt, ist einer der effektivsten Wege zur Schlafverbesserung: Schlafrestriktion.

Wer viel zu früh ins Bett geht, "um genug Schlaf zu bekommen", verbringt oft stundenlang wach im Dunkeln. Der Körper lernt dadurch: "Im Bett ist Anspannung."

Konkret heißt das:

  • Legen Sie sich erst hin, wenn Sie müdemüde sind.

  • Stehen Sie morgens immer zur gleichen Zeit auf – auch nach einer schlechten Nacht.

  • Vermeiden Sie es, tagsüber oder am frühen Abend vorzuschlafen, selbst wenn Sie müde sind. Gerade dieses Ausweichen aus der Erschöpfung heraus kann den natürlichen Schlafdruck für die Nacht senken – und das Problem verschärfen.

Das Ziel: Das Bett wird wieder zum Ort der Erholung, nicht der Anspannung.


2. Gedanken entmachten

Viele Tinnitusbetroffene erleben nachts eine Spirale aus Gedanken und Gefühlen:

  • "Ich muss jetzt schlafen, sonst bin ich morgen fertig."

  • "Wenn das so bleibt, halte ich das nicht mehr aus."

  • "Ich werde nie wieder durchschlafen."

Diese Gedanken wirken sehr real. Aber sie sind keine Fakten – sie sind automatische Stressreaktionen.

Eine bewährte Methode ist die sogenannte kognitive Defusion:

"Das ist ein Gedanke. Kein Befehl. Keine Wahrheit."

Diese kleine Distanzierung reduziert die emotionale Wucht der Gedanken. Sie schafft Raum. Raum für Atmung, für Regeneration, für Schlaf.


3. Den Tinnitus anders bewerten

Studien zeigen klar: Nicht die Lautstärke des Tinnitus entscheidet über die Belastung – sondern die Bewertung.

Wer denkt: "Ich kann mit diesem Ton nicht leben", erlebt Angst und Kontrollverlust. Der Ton wird dadurch noch bedrohlicher.

Wer hingegen lernt zu sagen: "Der Ton ist da. Und ich darf trotzdem schlafen.", verändert die innere Haltung.

Diese bewusste Neubewertung wirkt direkt auf das Nervensystem. Der Alarmmodus wird heruntergeregelt. Und genau das ist entscheidend für Schlaf.


4. Neue Wege für Wachphasen in der Nacht

Wachliegen wird oft zur Gewohnheit. Je mehr man versucht, einzuschlafen, desto wacher wird man.

Ein Ausweg:

  • Bleiben Sie nicht länger als 20 bis 30 Minuten wach im Bett.

  • Stehen Sie leise auf, wechseln Sie den Raum.

  • Tun Sie etwas Ruhiges, z. B. Lesen bei gedimmtem Licht, Atmen, Dehnen.

  • Kein Handy, kein Fernseher, keine neuen Reize.

  • Kehren Sie zurück ins Bett, wenn echte Müdigkeit einsetzt.

So unterbrechen Sie das erlernte Muster "Bett = Kampfplatz".


5. Technik gezielt und einfach nutzen

Technische Hilfsmittel können unterstützen – aber nur, wenn sie richtig eingesetzt werden.

Gut geeignet sind z. B.:

  • ruhige, neutrale Hintergrundgeräusche wie "Pink Noise"

  • Atemanleitungen oder Bodyscans (z. B. mit der App Insight Timer)

  • statische Klanglandschaften ohne Sprache oder Melodie

Wichtig ist, bei einer Methode zu bleiben. Nicht springen. Nicht suchen. Nicht werten.

Technik ist kein Zaubermittel. Aber sie kann helfen, den Fokus zu verlagern und das Nervensystem zu beruhigen.


Schlaf ist möglich, auch mit Tinnitus

Der Tinnitus muss nicht verschwinden, damit Schlaf wieder möglich wird. Aber der Umgang mit ihm darf sich ändern.

Weniger Kampf. Weniger Kontrolle. Mehr Vertrauen in den Körper.

Schlaf ist keine Leistung. Schlaf ist ein biologischer Zustand, der zurückkehren kann, wenn wir ihn nicht mehr erzwingen wollen.

Diese Schritte erfordern Übung – aber sie sind lernbar. Und sie lohnen sich.


Wenn Sie nicht allein durch diesen Weg gehen wollen

Manchmal hilft es, die ersten Schritte nicht alleine zu gehen. Gerade wenn der Tinnitus schon lange besteht, die Nächte zur Belastung geworden sind oder man das Gefühl hat, den eigenen Gedanken nicht mehr entkommen zu können.

In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sich professionelle Unterstützung zu holen – jemand, der mit klarem Blick von außen begleitet, stärkt und mit Ihnen gemeinsam einen machbaren Weg entwickelt.

Ob in Form eines Gesprächs, einer therapeutischen Begleitung oder durch eine strukturierte Anleitung: Der Weg zu besserem Schlaf muss nicht allein gegangen werden!


Herzliche Grüße

Boris Seedorf

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